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Drei Grundelemente guten Unterrichts

Baustein 1: Das relevante Thema

Viele Schülerinnen und Schüler haben im Laufe ihrer bisherigen Schulzeit regelrecht verlernt, wozu es gut, wichtig und sinnvoll ist, etwas zu lernen. Die Frage nach der Relevanz der Lerninhalte ist (übrigens ebenso wie die Frage nach den Methoden) „unschicklich“. Man hat halt zu lernen, weil etwas „dran“ ist, es wird schon für irgendetwas wichtig sein, sonst käme es ja in der Schule nicht dran...! Die allermeisten Schülerinnen und Schüler fügen sich ergeben in ihr Schicksal und stellen die Frage nach der Relevanz der Lerninhalte nicht mehr. Und - das muss man leider der Ehrlichkeit halber sagen - viele Lehrerinnen und Lehrer hätten Mühe, die Frage zu beantworten.

Echtes Lernen, das von Entdeckerfreude, Motivation und Durchhaltevermögen gekennzeichnet ist und auch auf lange Sicht bleibende Erkenntnisse, Fähigkeiten und Wissen vermittelt, findet nur statt, wenn es als sinn-voll erlebt wird. Deshalb brauchen wir eine Unterrichtskultur, in der es selbstverständlich ist, dass Lehrerinnen und Lehrer ihren Schülerinnen und Schüler in jeder Unterrichtsstunde sagen, was sie in dieser Stunde lernen können; was genau das Thema des Unterrichts ist; warum das für sie wichtig ist.

Das heißt, dass sich die Unterrichtenden bei der Planung ihres Unterrichts über den genauen Inhalt und die Relevanz des Themas sorgfältig Gedanken gemacht haben müssen. Ein solcher Prozess kann dann zu erstaunlichen, vielleicht sogar beängstigenden Ergebnissen führen. Wurden bis eben noch vermeintliche Vorgaben unhinterfragt übernommen, kann sich plötzlich sehr drastisch die Frage stellen, ob der Unterrichtsgegenstand, der „eigentlich“ dran ist, für eben diese Schülerinnen und Schüler zu eben diesem Zeitpunkt wirklich relevant ist, ob er für sie wirklich „dran“ ist! Wir reden mitnichten einem sorglosen Ignorieren von Lehrplan-Vorgaben oder Absprachen im Rahmen der Jahrgangskoordination das Wort. Nach unseren Erfahrungen bieten aber die meisten Lehrpläne sehr wohl genügend Spielräume, auch individuelle didaktische und individuell begründbare Entscheidungen zu treffen. Und so manche schulinterne Absprache entpuppt sich bei genauerem Hinsehen leicht als „Feigenblatt“, hinter dem sich der eine oder andere Kollege gerne versteckt, um sich damit zu entschuldigen: Man müsse das halt „durchnehmen“, weil es „dran“ sei. Dass genau diese Einstellung zu dem bei Schülerinnen und Schülern immer weiter um sich greifenden Desinteresse und Erlöschen jeden Lerneifers führt (was andererseits vehement beklagt wird!), wurde oben bereits ausgeführt. 

 

aus:

Baustein 2: Die konsequente Schülerorientierung

Konsequente Schülerorientierung des Unterrichts ist kein bloßes Modewort oder überzogener Anspruch der Lehrerausbildung. Den Unterricht nicht wirklich konsequent an den Schülerinnen und Schüler zu orientieren, hieße, über deren Köpfe hinweg zu unterrichten, hieße, sie nicht wirklich als lernende Individuen ernst zu nehmen. Die Folgen eines Unterrichts, der über die Köpfe hinweg geht, der Schülerinnen und Schüler nicht wirklich ernst nimmt, sind allerorten zu beobachten: Kinder und Jugendliche verweigern sich zunehmend dem Zwangs-Lernen, dem pädagogischen Zeigefinger, der Belehrung. Sie verweigern sich der Schlaubergerei und Besserwisserei von Pädagogen, die allesamt meinen, besser als sie selbst zu wissen, was für sie richtig und wichtig ist, aber oftmals keine Ahnung haben, was die Jugendlichen wirklich berührt und umtreibt. Auf überheblich-abfällige oder ironische Bemerkungen über “Big Brother” oder HipHop-Stars können sie gut verzichten. Dass diejenigen, die immerzu glauben, alles besser zu wissen, ganz oft überhaupt keine Ahnung haben - vom Umgang mit dem Computer beispielsweise -, manchmal nicht mal von den Dingen, die sie unterrichten, sei nur am Rande erwähnt. Die Lernverweigerung vieler Schülerinnen und Schüler ist insofern nur konsequent. Wobei die Verweigerung sowohl in der aktiven Form, das heißt durch oftmals massive Störungen des Unterrichts, als auch - vielleicht viel öfter - passiv stattfindet: Ein freundlich-aufmerksames Gesicht aufsetzen und die Ohren „auf Durchzug“ stellen, nach dem Motto: „Wenn alles schläft, und einer spricht ...“

Wer ernst machen will, mit einem Unterricht, in dem ein Lernen stattfindet, das diesen Namen wirklich verdient, kommt deshalb um konsequente Schülerorientierung nicht herum, und zwar in allen Klassen von 1 bis 13 und in allen Fächern! Diese Forderung mag auf den ersten Blick utopisch anmuten. Aber der zweite Blick lohnt. Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, dass wir am besten das lernen, was uns wirklich interessiert und unseren Lernvoraussetzungen entspricht. Und wir alle wissen, dass Schülerinnen und Schüler oftmals zu erstaunlichen Leistungen in der Lage sind, über einen Schatz individueller Kenntnisse, Erfahrungen und Kompetenzen verfügen, der manchmal verblüffend ist. 

Konsequente Schülerorientierung heißt vor allem: Die Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen! Ernst zu nehmen in ihren Interessen, ihren Wünschen und Vorstellungen; ihr Bedürfnis ernst zu nehmen, etwas Sinnvolles zu lernen; die Tatsache ernst zu nehmen , dass bereits jede Menge Kenntnisse und Fähigkeiten in der Klasse vorhanden sind. 

Anzuknüpfen an vorhandene Kompetenzen - das ist der vielleicht wichtigste Gesichtspunkt eines Unterrichts, der konsequente Schülerorientierung zum Dreh- und Angelpunkt der Unterrichtsplanung und -gestaltung macht: Was wissen die Schülerinnen und Schüler bereits über die Sache, die Gegenstand des Unterrichts werden soll? Was wollen sie wissen? Wer kann welche Kompetenzen wie in den Unterricht einbringen? Auch und gerade, wenn es beispielsweise um das Erklären von Sachverhalten geht, in Mathematik ebenso wie in Grammatikstunden oder den naturwissenschaftlichen Fächern, sind Schülerinnen und Schüler dem Lehrer oder der Lehrerin oftmals überlegen, weil sie sich intuitiv viel besser in die "Denke" ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler einfühlen können und von diesen besser verstanden werden.

Konsequente Schülerorientierung bedeutet weiterhin, die unterschiedlichen Bedürfnisse und unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen innerhalb einer Klasse ernst zu nehmen durch Angebote und Möglichkeiten der inneren Differenzierung. Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen konstatieren heute die enorme Heterogenität ihrer Klassen. Dennoch werden im Unterricht in der Regel - selbst an Gesamtschulen, die die Heterogenität zum Programm erheben! - alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse über einen Kamm geschoren, indem alle zur gleichen Zeit das Gleiche tun (müssen): In der Regel zuhören oder schreiben. Konsequente Schülerorientierung heißt deshalb auch, den - unterschiedlichen! - Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden und Konsequenzen aus der Erkenntnis zu ziehen, dass es Rahmenbedingungen gibt, unter denen alle Menschen - wir, ebenso wie die Schülerinnen und Schüler – besser lernen.

Rahmenbedingungen, die Lehrerinnen und Lehrer bei der Planung und Durchführung ihres Unterrichts beeinflussen können:
 

  • Wir alle lernen besser, wenn wir das genaue Thema des Unterrichts kennen und wissen, warum dieses wichtig ist: Zu wissen, das Lernen lohnt sich! 
     

  • Wir alle lernen besser, wenn wir wenigstens teilweise nach unserem individuellen Tempo lernen können, wenn wir entscheiden können, mit wem wir lernen wollen und mitentscheiden können, was und wie viel wir lernen wollen.
     

  • Wir alle lernen besser, wenn wir beim Lernen nicht überwiegend zuhören müssen, sondern regelmäßig Gelegenheit haben, uns mit anderen auszutauschen, d.h. zu sprechen.
     

  • Wir alle lernen besser, wenn das zu Lernende in einer Form dargeboten wird, die unseren individuellen Lernvoraussetzungen entspricht, d.h. vor allem unterschiedliche Sinne („Lernkanäle“) einbezieht.
     

  • Wir alle lernen besser, wenn wir beim Lernen nicht immer nur stillsitzen müssen; wenn spürbar ist, dass Lernen nicht immer nur eine „todernste“ Angelegenheit, sondern dass Lachen, Entspanntheit und Fröhlichkeit unverzichtbare Bestandteile erfolgreichen Lernens sind.

Baustein 3: Die konstruktive Atmosphäre

Guter Unterricht kann nur in einer konstruktiven Lern- und Arbeitsatmosphäre stattfinden.

 

Eine konstruktive Lernatmosphäre ist dadurch gekennzeichnet, dass 

 

  • intensives Lernen und gemeinsames Arbeiten stattfindet;

  • ein Klima des gegenseitigen Respekts herrscht: der Schülerinnen und Schüler untereinander, ebenso wie zwischen der Lehrerin oder dem Lehrer einerseits und den Kindern oder Jugendlichen andererseits;

  • Rücksichtnahme gegenüber langsamen Lernen und Schwächeren geübt wird;

  • es selbstverständlich ist, sich gegenseitig zu fragen und zu helfen;

  • auch Schülerinnen und Schüler Verantwortung übernehmen;

  • Fehler okay sind;

  • Regeln verbindlich sind und für alle gelten, auch für Lehrerinnen und Lehrer;

  • die Nichteinhaltung von Regeln Folgen hat.

Verantwortlich für die konstruktive Atmosphäre im Klassenraum ist die Lehrerin oder der Lehrer. Er oder sie muss bereit und in der Lage sein, die schwierige Doppelrolle von „Partner“ und „Chef“ einzunehmen. Wer nur Partner der Schüler ist, läuft Gefahr, dass Regeln unverbindlich bleiben; wer nur Chef ist, degeneriert schnell zum Herrscher. Der „Partner“ beteiligt sich gleichberechtigt an der Aufstellung von sinnvollen Regeln, die für ihn genauso gelten, wie für alle anderen. Der „Chef“ ist letztlich verantwortlich dafür, dass einmal gemeinsam beschlossene Regeln auch für alle durchgesetzt werden und dass die Nichteinhaltung tatsächlich Konsequenzen hat.

Beispiele für sinnvolle Regeln, die zu einer konstruktiven Atmosphäre gehören:

 

  • Lehrer und Schüler halten sich an verabredete Zeiten, sowohl, was den Beginn, als auch, was das Ende der Arbeit angeht!

  • Lehrer und Schüler gehen respektvoll miteinander um, hören einander wirklich aufmerksam zu, unterbrechen nicht und zeigen sich, dass sie sich gegenseitig ernst nehmen.

  • Ohne Spaß, Lachen und Pausen kann niemand gut lernen und arbeiten.

  • Lebendiges Lernen in Projekten verursacht Geräusch. Und: Schüler und Lehrer (!) sprechen in Gruppen- und Partnerarbeit leise, um die anderen nicht zu stören.

  • Schüler und Lehrer (!) sprechen in gemeinsamen Phasen kurz zur Sache, um möglichst vielen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

  • Und immer wieder: Es ist okay, Fehler zu machen! Nur wer bereit ist, Fehler zu machen, kann lernen. Wer ängstlich versucht, Fehler zu vermeiden, kann nicht lernen. Fehler sind dazu da, um aus ihnen zu lernen.

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