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Disziplin herstellen

Das Problem:

 

Gerne werden unter Lehrern die besten Tipps gehandelt, wie man „ganz einfach“ im Unterricht Disziplin herstellen kann. Und gerade Referendare und Berufsanfänger greifen diese Tipps begierig auf. Sie machen leider recht schnell die Erfahrung, dass der ultimative Geheimtipp bei ihnen leider nicht funktioniert. Das liegt einerseits daran, dass gerade gestandene Lehrer häufig vor allem auf Strenge setzen und darauf, die Schüler an einer möglichst „kurzen Leine zu halten“. Unerfahrene Lehrer merken dann schnell, dass die Schüler bei ihnen darauf leider nicht reagieren.

 

Kurz: Es fehlt an gegenseitigem Respekt. Wer dann noch meint, seine „Strenge“ und „kurze Leine“ dadurch zeigen zu müssen, dass er vor der Klasse brüllt, Schüler bloßstellt oder mit Strafen um sich wirft, macht sich nur endgültig lächerlich und verspielt auch den letzten Rest an Respekt. 

Deshalb funktionieren alle Tipps zum Thema „Disziplin“ nur, wenn der Lehrer zuvor eine wirklich respektvolle Atmosphäre geschaffen hat, wenn er von den Schülern echten Respekt erfährt und die Schüler respektvoll miteinander umgehen. Deshalb geht es am Anfang der Sprechstunde um Respekt - und erst dann um Disziplin. 

 

Es gibt eine Reihe von Auslösern für Disziplinprobleme, die kein Lehrer ändern kann, zum Beispiel: Bestimmte schulische Rahmenbedingungen, wie überfüllte Klassenräume, ein von Angst und Unterdrückung geprägtes Schulklima, fehlende oder zu rigide Schulregeln, fehlende gemeinsame Absprachen (zum Umgang mit Störungen). Auch zufällige sehr ungünstige Lerngruppenzusammensetzungen, einzelne extrem verhaltensschwierige Schüler oder nicht kooperationsbereite Eltern können auch den besten Lehrer an seine Grenzen bringen. 

In den meisten Fällen jedoch gibt es eine Fülle von Möglichkeiten für Lehrer, im Unterricht Disziplin herzustellen - vorausgesetzt, die Basis des gegenseitigen Respekts stimmt. Natürlich heißt „Disziplin im Unterricht“ nicht Kadavergehorsam, ängstliches Schweigen und das Fehlen jeder Fröhlichkeit und Kreativität. Disziplin heißt schlicht, dass sich alle Schüler (und natürlich auch die Lehrer) an sinnvolle, gemeinsam akzeptierte Regeln halten, zum Beispiel:

 

  • sich melden und warten, bis man drankommt, 

  • pünktlich im Unterricht sein, 

  • bei Gruppen- und Partnerarbeiten leise sprechen, 

  • Hausaufgaben machen,

  • bei Unterrichtsgesprächen nicht reinrufen.
     

Wann sind Interventionen wirksam?


Neben der Grundvoraussetzung „Respekt“ braucht es folgende Klärungen, bevor die verschiedenen Möglichkeiten, Disziplin herzustellen, wirksam werden können:

 

Explizite Regeln 

 

Es muss jedem klar sein und von jedem verstanden und akzeptiert sein, wie genau die Regeln für die Arbeit im Klassenraum lauten - und welche Konsequenzen die Nichteinhaltung von Regeln hat.

 

Sinnvolle, akzeptierte Rituale

 

Die disziplinierende Funktion von Ritualen besteht darin, dass sie in der Regel wortlos wirken, dass bereits kleine Signale ausreichen, um umfangreiche Folgen auszulösen. Beispiele hierfür sind das unten erwähnte Handzeichen oder der Countdown. 

 

Konsequenzen

 

Nicht jeder Verstoß gegen die Regeln in der Klasse muss automatisch geahndet werden. Der klug erziehende Lehrer beherrscht den Spagat zwischen klarer Konsequenz und der Fähigkeit, Regelverstöße auch bewusst zu ignorieren, eben wie ein guter Schiedsrichter „Vorteil“ zu geben. Auf jeden Regelverstoß sofort und möglicherweise hart zu reagieren ist erzieherisch wenig sinnvoll und trägt genauso wenig dazu bei, Respekt von den Schülern zu erlangen wie es keinen Sinn macht, auf Regelverstöße gar nicht oder - was fast auf das Gleiche hinausläuft - nur mit den ewig gleichen Ermahnungen, die letztlich konsequenzlos bleiben, zu reagieren. 

Weil Regelverstöße Konsequenzen haben müssen, geht es nicht ohne Strafen ab. Manche - gerade junge - Lehrer tun sich schwer mit der Vorstellung, ihre Schüler zu bestrafen. Tatsächlich aber erwarten die Schüler, dass Regelverstöße auch konsequent, angemessen und gerecht bestraft werden. 

Sowohl dem Lehrer als auch den Schülern muss, bevor es „knallt“ klar sein, welche Strafen wann in Frage kommen. Strafen sollten nie spontan verhängt werden. In einer ruhigen Unterrichtssituation sollte man besprechen, um welche Strafen es geht.

Kluge“ Strafen - natürliche Folgen

Auch die Erziehungs-Klassiker beispielsweise um Rudolf Dreykurs haben sich - zumindest verbal - um „Strafen“ herum gedrückt. Sie sprechen statt dessen lieber von „logischen“, bzw. „natürlichen“ Folgen. Gemeint ist damit ganz schlicht das Prinzip „Wer etwas kaputt macht, muss es heil machen“, also zum Beispiel: Wer am Anfang zu spät kommt, muss am Ende länger bleiben, wer etwas schmutzig macht, muss es sauber machen, wer etwas wegnimmt, muss es ersetzen, wer andere am Lernen hindert, muss etwas tun, was ihr Lernen erleichtert und letztlich auch: Wer durch permanentes Stören zeigt, dass er nicht am Unterricht teilnimmt, kann auch tatsächlich nicht am Unterricht teilnehmen. 

Diese Strafen - als solche werden sie zurecht ja wahrgenommen - sind zumeist wirksam, sofern sie sparsam und mit Bedacht eingesetzt werden. Wer permanent beispielsweise „rauschmeißt“, entwertet diese Maßnahme dadurch und nimmt ihr dieWirkung. Die Wirksamkeit dieser „klugen“ Strafen („natürlichen Folgen“) wird dadurch erhöht, dass sie sich sehr einfach begründen lassen und dass sie häufig für Schüler ausgesprochen unangenehm sind.

Beispiele für solche Strafen:

 

  1. •Versäumten Unterricht nachholen, z.B.: Verlorene Zeit an der Tafel notieren und am Ende der Stunde oder in der nächsten Stunde nachholen

  2. •Klassenraum oder Schulräume / Pausenhof sauber machen

  3. •Übungsmaterial zur Vorbereitung auf Klassenarbeiten für die Mitschüler vorbereiten („Spickzettel“)

 

Gelbe / rote Karte

 

Die gelbe bzw. rote Karte muss man nicht erklären. Der große Vorteil besteht darin, dass der Lehrer unaufgeregt und non-verbal agieren kann. Gelbe Karte: Letzte Verwarnung. Die Konsequenz der roten Karte muss im Vorfeld geklärt sein. Sinnvoll ist hier jede Art von „klugen“ Strafen. Nur in Extremfällen sollte sie einen „Platzverweis“ bedeuten.

 

Ausschluss vom Unterricht

 

Der Ausschluss vom Unterricht, der „Platzverweis“, kann eine angemessene „natürliche Folge“ sein, sollte aber immer ultima ratio bleiben. Der Ausschluss vom Unterricht ist vor allem immer dann sinnvoll, wenn Schüler konsequent nicht auf Ermahnungen des Lehrers reagieren, wenn sie andere Schüler massiv beim Lernen behindern, wenn sie unangemessene Aufmerksamkeit und Beachtung für nicht-konstruktives Verhalten erfahren oder wenn sie schlicht eine Auszeit benötigen, um sich zu beruhigen. Wenn Schüler also zeigen, dass sie nicht am Unterricht teilnehmen können oder wollen, ist die logische Konsequenz, sie dann nicht am Unterricht teilnehmen zu lassen.

In wenigen Ausnahmefällen kann es sinnvoll sein, einen Schüler kurzfristig (also für 5 bis 10 Minuten) vor die Klassentür zu stellen. Das ist aber nur dann möglich, wenn sich der Lehrer sicher ist, dass sich der Schüler an die Absprache hält, ruhig vor der Tür zu warten, bis er vom Lehrer nach spätestens 10 Minuten wieder in der Klassenraum geholt wird. 

Besser und wirksamer ist es, den störenden Schüler zu isolieren, indem er nach Absprache in den Unterricht eines Kollegen geschickt wird (siehe oben „Schüler isolieren“) oder - wie es an einigen Schulen erfolgreich praktiziert wird - in einen von einem Lehrer beaufsichtigten „Ruheraum“. 

Ein Ausschluss vom Unterricht kann auch im Vorfeld verhängt werden, beispielsweise der Ausschluss von der nächsten Sportstunde. 

Selbstverständlich haben Schüler in allen Fällen, in denen sie vom Unterricht ausgeschlossen wurden, die Verpflichtung, das Versäumte durch entsprechende schriftlich Aufgaben nachzuholen. Im Sportunterricht ist es beispielsweise sinnvoll, dass Schüler, die von der Teilnahme ausgeschlossen wurden, auf der Bank sitzen und ein ausführliches Stundenprotokoll anfertigen.

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Dazu mehr im Buch:

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